THE ART OF Claus Tepper

Phase 2 oder die Inspiration durch die Inspirierten:

Saras Bild vom Haus und die Idee der „emotionalen Komplexität“ hat mich dazu gebracht von der geraden Linie mir einen einzelnen Punkt herauszunehmen auf den ich mich konzentriere [z.B. a) häusliche Gewalt oder b) Geborgenheit] abzuweichen und stattdessen mehrere Punkte zu verknüpfen. So bekommt das Werk eine höhere Dichte und Allgemeingültigkeit.

Sara sagt Zuhause ist für sie „nicht zwingend gerade und stabil (ist), sondern auch unförmig.“

Dem schließe ich mich gerne an und ich möchte, dass das deutlich wird.

Ich habe angefangen Textzeilen in meine Diktier-App zu sprechen. Rhythmik und Melodie entwickeln sich da schon hörbar, auch wenn alles erstmal skizzenhaft erscheint, sind die Zeilen schon ordentlich durchdacht und werden daher wahrscheinlich kaum noch verändert; ich bin damit sehr glücklich. Man könnte sagen: Die Richtung stimmt.

Hört mal in die Soundfiles rein und schaut wie so ein Lied entsteht.

Idee der Strophe: Die ersten beiden Doppelzeilen sind wie folgt gedacht:

Zeile eins = Eine kurze Frage

Zeile zwei = Erklärung „was will ich mit der Frage, wo will ich hin?“ aber selbst als Frage formuliert – damit ist praktisch das ganze Thema für mich eine große Frage (ich habe noch nie so viele Fragewörter in einem einzigen Lied verarbeitet 😉 aber das soll und muss hier so)

Die letzten beiden Doppelzeilen:

Es sind pro Doppel-Zeile vier 4/4-Takte. Der Text der Zeilen sechs und acht geht aber nicht ganz in die Takte – er passt ganz bewusst nicht rein – so ein bisschen wie wenn Sara ihren Körper auf den Beinen verschiebt, als seien sie nicht miteinander verbunden.

Beispiel:

/1         2          3       4       /1            2          3      

Wo ist keiner der erwartet dass Du Dich erklärst,

4        /1       2             3             4              1       2      3      4

wo ist einer der Dich mag und stärkt und nährt

Die Taktzahl Vier zieht die nächste Zeile zu sich nach vorne, sie beginnt eigentlich zu früh, nichts wirklich besonderes in der Musik, aber so werden die Zeilen sechs und acht explizit hervorgehoben, die zwar als Fragen daher kommen, aber doch Feststellungen sind. Damit sage ich: „Das hier ist wichtig.“

 

 

 

 

 

Et voilá, das Kind ist geboren – es ist ein Gedicht, hurra!

Nachdem der Text fertig und ich superglücklich darüber war, habe ich mich sofort daran gesetzt und versucht ein Lied daraus zu machen; Rhythmus und prinzipielle Melodie waren ja da – wie man in den Aufnahmen aus der Phase 2 hören kann. Es sollte also kein Problem sein die Harmonien zu finden und ein angemessenes Arrangement hinzubekommen – schließlich mache ich das nicht zum ersten Mal. Aber es hat sich was gewehrt, es wollte nicht so recht meines werden.

Mir war schnell klar, dass etwas nicht stimmte, aber ich konnte es nicht wirklich erfassen – der Text war perfekt, daran gab es nichts zu rütteln.

Ich lehnte mich zurück und atmete durch. Dann las ich mir den Text nochmal langsam laut vor und merkte sofort, dass die Kraft in den Worten steckt – es braucht keine Musik, im Gegenteil, sie stört hier. Also beschäftigte ich mich mit dem Text, dem Lesen, der Interpretation, den Emotionen. Damit war klar: Es ist kein Lied, es ist ein Gedicht – das war es wohl von Anfang an, ich hab es nur nicht gesehen.

Ihr könnt Euch nicht vorstellen wie glücklich ich bin. Es ist genau so wie es sein soll – besser sogar.

Zur Karton-Präsentation:

Ich habe einfach nochmal aufzeigen wollen wie komplex die „Verstrickungen“ mitunter sind und wie wirr es manchmal in meinem Kopf aussieht. Meine Aufgabe sehe ich darin Zusammenhänge zu erfassen und ihnen einen übergeordneten Sinn zu geben. Das kann man schlecht erklären, aber vielleicht kann man es mit Hilfe von Olgas Wolle ein Stück weit sichtbar machen.